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2023-03-23 16:33:08 By : Ms. Lynn Tang

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Seien wir ehrlich: In der Zeit vor Matthias Steiner war Gewichtheben in der Klasse über 105 Kilogramm was für Freaks. Typen, die aussehen wie aus Medizinbällen zusammengenäht und mit irgendwas aufgepumpt, stampften schweren Schritts auf eine Bühne, nachdem sie zuvor noch an irgendeinem Rachenputzer geschnüffelt hatten. Dann wuchteten sie unter Stöhnen und Schnaufen das Gewicht eines Pferds in die Luft, verbeugten sich und verschwanden hinter einem Vorhang, wo alte, kleine, ebenfalls dicke Männer sie liebevoll in den Arm nahmen. Wer so etwas für einen richtigen Sport hielt, dachte auch, die Dame ohne Unterleib auf dem Jahrmarkt sei echt.

Dann kam der Pfundskerl aus Österreich und lehrte uns, dass die stärksten Männer der Welt Herz haben, viel Herz. Die Geschichte, wie er nach dem Olympiasieg vor vier Jahren ein Foto seiner tödlich verunglückten Frau in die Kameras der Welt hielt, ist tausendundeinmal erzählt worden. Plötzlich war der Sport interessant, man lernte etwas über das Innenleben der Fleischberge, über Trainingsfron und darüber, wie spannend die Wettkämpfe in Wahrheit sind. Denn es geht nicht nur um dicke Arme, sondern auch um Kopfrechnen und Nerven wie beim Pokerspiel: Was mache ich, wenn Konkurrent X das Gewicht Y stößt, ich aber einen Versuch weniger habe und noch Z Konkurrenten hinter mir dran sind?

Es ist ein ständiges Hin und Her auf der Anzeigetafel, ein digitales Ballett aus Zahlen in gelb (noch nicht versucht), weiß (ist jetzt dran), blau (ist als nächstes dran), grün (geschafft) und rot (nicht geschafft). Ständig wechselt die Reihenfolge, in der gehoben wird; scheitert der Konkurrent an einem Gewicht oder schafft es wider Erwarten doch, muss umkalkuliert oder vor dem nächsten Versuch zunächst geblufft werden. Ein Kilo mehr, und man kann eventuell zwei Minuten länger Luft holen, weil dann zuerst der Gegner ran muss. Zugleich weiß jeder Heber ziemlich gut, wo seine Schmerzgrenze liegt, es bringt nichts, den Konkurrenten auf Biegen und Brechen übertrumpfen zu wollen. Also tanzen die Schwergewichte auf einem schmalen Grat und jonglieren bei zentnerschweren Lasten mit ein oder zwei Kilos.

Vom 27. Juli bis zum 12. August 2012 richtet London die größte Sportveranstaltung der Welt aus. Bei den Sommerspielen der 30. Olympiade wird es in 26 Sportarten 302 Entscheidungen geben. Insgesamt werden mehr als 10.000 Sportler aus mehr als 200 Ländern in England erwartet. Außerdem werden ungefähr 30.000 Journalisten aus aller Welt aus London von den Spielen berichten. Insgesamt stehen 6,6 Millionen Tickets zum Verkauf.

In unserem Ticker verpassen Sie keinen olympischen Wettkampf, keine Medaille und keinen Termin der Sommerspiele in London. Den an jedem Olympiatag spannendsten Wettkampf stellen wir in der Serie "Mein Olympia" vor. Alle Interviews, Reportagen und Essays der Redaktion finden Sie auf der Olympia-Seite. Die englische Hauptstadt London ist nach 1908 und 1948 die erste Metropole, die zum dritten Mal Gastgeber der Spiele ist. Für ZEIT ONLINE berichten Christian Spiller und Christof Siemes aus London. Im Blog der Sportredaktion lesen Sie die Erfahrungen der Olympiareporter.

Schließlich lernte man dank Matthias Steiner auch etwas darüber, dass selbst so dicke Männer Gewichtsprobleme haben, freilich in die umgekehrte Richtung: Der aktuelle Weltrekordhalter wiegt 168,19 Kilogramm, und wenn Steiner einem wie ihm Paroli bieten will, reichen seine 149,98 Kilo nicht, das haben wir schon im Physikunterricht gelernt: F = m x a, Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung.

Und nun, bei den Olympischen Spielen von London , hat uns Matthias Steiner, noch etwas gelehrt: Dass Gewichtheben gefährlich ist.

Der Wettkampf in der Excel-Arena ist noch gar nicht richtig losgegangen, Steiner hat im ersten Versuch mühelos 192 Kilogramm im Reißen gestemmt. Ein vielversprechender Beginn, im Vorfeld war ja viel von Wehwehchen, von Trainingsrückstand die Rede gewesen. Für den zweiten Versuch lässt Steiner 196 Kilo auflegen, wie dicke Scheiben einer Eisenwurst stecken die fleischfarbenen Gewichte auf der Hantel. Wie gewöhnlich reißt Steiner sie in die Höhe, etwas hinter seinen Kopf, ein Balanceakt ist das immer. Diesmal aber überwältigt ihn die unglaublich Last, nicht einmal kontrolliert fallen lassen kann er sie, er wird unter ihr begraben. So muss es sich anfühlen, wenn man unter das Fallgitter einer mittelalterlichen Burg kommt. Oder von einem Trecker angefahren wird.

Steiner schreit kurz und kehlig, dann liegt er seltsam verdreht auf seinem Bauch und macht, von der Hantelstange eingeklemmt, gar nichts mehr. Hastig eilen Ärzte, Betreuer, seine Trainer auf die Bühne, Helfer rollen eine Sichtblende aus, wie bei einem schweren Autounfall, damit das Publikum nix zu gaffen hat. Hat das Gewicht ihm die Rippen zerquetscht? Die Hüfte zertrümmert? Der Hallensprecher versucht mit seiner sonoren Stimme das Publikum zu beruhigen: Er bekommt alle medizinische Hilfe, die er jetzt braucht.

Bange Sekunden gehen dahin, plötzlich reckt sich eine pralle Faust in die Höhe, die kennen wir doch – Steiners Pranke!

über das glimpfliche Ausgehen des Unfalls wiegt mehr als die Enttäuschung über eine verpasste Medaille!

Als enthusiastischer Fan muss ich anmerken , dass mir der Atem stehenblieb , als ich die Szene mit Steiner sah , Gott sei Dank schein alles so weit OK. Von der sportlichen Seite her , hätte Steiner nie eine Chance in Peking 2008 Gold zu gewinnen , wenn der Iraner Hossein Rezazadeh ( Olympiasieger 2000 & 2004 und Weltrekorhalter ) teilgenommen hätte ( er hatte einen schweren Autounfall vor Beginn der olympischen Siele 2008 ). Rezazadeh's Weltrekord ist mit 472 fast nicht zu schlagen , ausser vielleicht von seinem Landsmann Behdad Salimi , der bei den Weltmeisterschaften in Paris im Reissen einen neuen Weltrekord von 214 KG aufstellte , aber im Heben (Clean & Jerk ) den Weltrekord von Rezazadeh nicht verbessern konnte. Behdad Salimi ist erst 22 Jahre alt und wird sicherlich in der Königsklasse +105 auf die nächsten Jahre nicht zu schlagen sein.

http://www.london2012.com/ne…

Salimikordasiabi, from Iran, was the favourite for victory and the super heavyweight rose to the occasion to confirm his title as the 'strongest lifter in the world'. The 22-year-old managed a total of 455kg, which was not enough to eclipse the mammoth 472kg world and Olympic record managed by legendary compatriot Hossein Rezazadeh in 2000, but it did clinch Iran's first Weightlifting gold since 2004...

Beim Stossen mache ich mir immer Sorgen, wenn die Gewichtheber die Stange direkt unter dem Kinn haben. Kann so ein Metallstab nur durch Verbiegen kaputt gehen, oder kann die Hantelstange auch brechen und dem Gewichtheber buchstäblich "den Kopf abreissen"?

Du weißt ja nicht, was Eisen hält...

Gut, hier geht es um Stahl. Also, die maximale Belastung bei einer solchen Hantelstange würde ja auftreten, wenn man sie nur mittig hält, da dann das Biegemoment maximal ist. Die Sportler halten diese Stangen aber meist sehr weit außen. Aber man kann es ausrechnen:

Biegemoment: Mbmax = F * s Gewichtskraft Gewichte: F = (m/2) * g Widerstandsmoment: W = (pi*d^3)/32 ==> d = ((W*32)/pi)^(1/3) (Gl. 1.1) Biegespannung: Sigma_b_max = Mb_max/W ==> W = Mbmax/Sigma_b_max (Gl. 1.2)

d = Durchmesser der Hantelstange (Ergebnis) s = Abstand vom Gewicht zu der Stelle, wo der Sportler die Stange greift. m = Masse des halben Gewichts

Normaler Baustahl kann bis zu einer Spannung von 235 N/mm² belastet werden ==> Sigma_b_max = 235 N/mm^2

Nehmen wir einfach den Worst Case an, dass der Sportler die Stange mit einer Hand in der Mitte hochhebt.

m = 196 kg g = 9.805 N/kg s = 1000 mm (Annahme)

Jetzt einfach Gl. 1.2 in Gl. 1.1 einsetzen und es ergibt sich der Durchmesser der nötig ist, dass die Stange lediglich eine pl. Verformung von 0.2% erfährt:

D = ((Mb * 32)/(pi * Sigma_b_max))^(1/3)

Werte einsetzen und es ergibt sich ein Durchmesser von: D = 34.66 mm

So, das war Worst Case (Biegemoment 10 mal größer als normal). Außerdem geht der Durchmesser in der 3ten Potenz ein. Das bedeutet: Durchmesser verdoppelt - Widerstandsmoment verachtfacht. Solche Stangen habe ich auch dicker in Erinnerung, also 50 mm Durchmesser ==> 600 kg bei obriger Berechnung - das hält alle mal :-)

Kraft ist Masse mal Beschleunigung

Richtig, aber warum ist dafür das Sportlergewicht so wichtig? Wird etwa die Sportlermasse beschleunigt, um die Kraft fürs Heben zu erzeugen?

bzw. wenig Gedanken darüber gemacht, warum sich beim Gewichtheben die Gewichtsklassen nicht auf die Gewichte der Hanteln, sondern auf die Gewichte der Gewichtheber beziehen, und warum dann folglich die Gewichtheber bei höheren Klassen so viel Fett an sich tragen.

Denn rein gefühlsmäßig stellt man sich ja den „stärksten Mann der Welt“ als einen der Sorte Schwarzenegger vor (romantisierte Vorstellung des starken Heldentypus).

Aber durch ihren Frage „Wird etwa die Sportlermasse beschleunigt, um die Kraft fürs Heben zu erzeugen ?“ wurde es mir jetzt erst klar, ich glaube Sie haben Recht, das Hantelgewicht und das Gewicht der Hebers sind quasi in einer Hebel-Wechselbeziehung, das Hochreißen des Gewichtes bedarf einer entsprechenden Gegenmasse.

Ein Schwarzenegger und Co. hätten wahrscheinlich die nötige Muskelkraft, aber ihnen fehlt die Masse als Ausgleich im Hebelsystem Heber/Gewicht, sie würden von der Hantel beim Beschleunigungsvorgang schlicht umgeworfen, hochgerissen oder sonst was.

Aber Experten werde da bestimmt genaueres sagen können.

"Gewichtheben ist ein verrückter Sport. Matthias Steiner hat ihn in Deutschland verständlich gemacht." (ZEITonline)

Tut mir leid, Herr Siemes: Nicht der Sport wurde verstanden, sondern Herr Steiner!

Der "Sport" selbst ist nämlich nicht zu verstehen, er ist ver-rückt, wie Sie so schön sagen, also nicht richtig an seinem Platze.

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